"Sonneberg - Es war ein Bilderbuchstart ins Berufsleben: Schule, Studium, eine Stelle in einem Architekturbüro. Dann der Schock für die Eltern: Ihre Tochter will kündigen und dann Japan verlassen - mit ein paar Teddybären im Gepäck. “Ich habe gefühlt, dass das meine letzte Chance ist, die wollte ich nutzen”, erzählt Maho Miyai drei Jahre später. Sie hat bei Martin-Bären in Sonneberg Spielzeughersteller gelernt. Dabei wollte Geschäftsführerin Sina Martin niemanden mehr ausbilden. Die Firma sei zu klein, es gäbe keine Perspektive für eine Übernahme und schließlich sei der Aufwand zu groß. Doch dann steht eines Tages Maho Miyai in der Tür. Sie ist mit einem Einfach-Ticket von Tokyo nach Frankfurt geflogen - und dann mit dem Zug nach Sonneberg gefahren. “Sie kam mit einem Lebenslauf und setzte drei selbst gemachte Bären auf den Tresen”, erinnert sich Sina Martin. Sie als Profi hat natürlich gesehen, dass dies Werke von Laien waren, “aber das war schon ein starkes Stück, eine einfache Ausführung, aber sehr schön gestaltet”. Also sprang Sina Martin über ihren Schatten und bot der jungen Japanerin ein Praktikum an. “Sie hat ihr Talent bewiesen, wohnte gleich gegenüber und die Geschichte war so außergewöhnlich, dass wir Maho in Ausbildung genommen haben”, sagt Martin. Die Geschichte fängt irgendwo in Tokyo an, 9200 km Luftlinie von Sonneberg entfernt, auf einem Flohmarkt. Maho Miyai studiert Innenarchitektur und verbringt die Wochenenden auf Flohmärkten. “Zuerst habe ich mich für alles interessiert, was alt war, besonders aus England oder Europa”, sagt sie. Möbel und Geschirr haben es ihr angetan. Irgendwann wollte sie sich vom Nutzen der Dinge befreien. “Da habe ich Spielzeug entdeckt - das ist nicht lebenswichtig.”
Und dann begegnet sie mitten in Tokyo einem 100 Jahre alten Teddy aus England. “Dabei war auch noch ein altes Familienfoto, auf dem ein Kind den Bären hält. Der Teddy war damals schon etwas schief - aber er lebt noch.” Er war für Maho zu teuer, aber ihre Liebe war dennoch geboren. Sie kauft einen sehr mitgenommenen Teddy und beschließt, ihn zu reparieren. Auf dem Etikett kann sie noch “Sonneberg” entziffern.
Ihr Ausbilder in Holztechnik, Mario Schneider, hat nur Maho im Jahrgang, auch im momentan zweiten Lehrjahr gibt es nur einen Auszubildenden, im ersten Lehrjahr zwei. Der Beruf scheint zu sterben. Aber Maho hat genau für diesen Feuer gefangen: “Ich möchte lernen, wie traditionelle Teddys hergestellt werden, ich möchte die Technik lernen, Geselle oder Meister werden - und das geht nur in Deutschland.”
Jetzt wischt sie sich die Tränen aus den Augen. “Ich habe geweint. Das ist Maho”, sagt sie und holt weit mit beiden Armen aus, “immer große Emotionen…”
Die letzte ihrer Prüfungen liegt hinter ihr, die Präsentation ihres Prüfungsstücks. Natürlich ist das Grundmodell aus der Palette von Martins Bären - aber Maho hat es etwas japanischer gemacht. Die Ohren sind weiter hochgenäht, und die Bärennase etwas breiter geworden. “Spitzere Nasen, das ist zu europäisch”, lacht die fertige Spielzeugherstellerin. Auch die Farben sind japanisch. Ein Cremeweiß kombiniert mit Rot und etwas Schwarz. “So ist Japan”, sagt Maho und betont auch in der Kleidung eher die traditionelle japanische Zeit. Heute ist der Kimono ein Festgewand für Hochzeiten, früher war er alltäglich. Und solch einen Alltags-Kimono hat die Japanerin für ihren Bären geschneidert.
“Bei den Formen und Farben hilft mir mein Studium ungemein”, sagt sie. Auch bei den Materialien sucht sie immer wieder japanische Noten. “Aber typisch japanischen Stoff habe ich hier nirgends gefunden - immerhin die Farben stimmen”, sagt sie und streicht noch einmal den Kimono glatt. Maho arbeitet bereits in einem Architekturbüro in Tokyo, entwirft Bäder. “Ich war 24 Jahre alt, macht jeden Tag Überstunden und fragte mich, für wen ich arbeite. Ich kannte meine Kunden nicht und arbeitete nur am Computer.” Zusammen mit dem Drang etwas Handwerkliches zu tun und der Liebe zu Teddys, entwickelte sie ihren Deutschland-Plan. “Ich möchte es probieren, das ist mein Charakter - sonst denke ich das ganze Leben daran, es nicht getan zu haben”, fasst sie ihre damaligen Motivation in Worte. Sie spürt, dass ihr Vater dagegen ist, auch wenn er nichts sagt. Sie hört, wie ihre Mutter sich sträubt. Sie kauft ein Flugticket nach Frankfurt.
Während ihres Studiums brauchte sie eine Fremdsprache neben Englisch und wählte Deutsch. Das hat ihr geholfen, auch wenn sie ihre Kenntnisse damals für beschränkt hält: “Ich heiße Maho - solche Sätze konnte ich sprechen, mehr nicht”, lacht sie. Mit Übersetzer in der Hand wagte sie sich nach Deutschland. Sie kannte niemanden, der japanisch sprach. Sie sieht das heute als Vorteil. Sie musste deutsch sprechen und sich nicht nur mit der Geschwindigkeiten arrangieren, sondern auch mit dem Dialekt. “Bereits das erste Gespräch mit Maho war auf Deutsch”, sagt Sina Martin, “wir haben langsam gesprochen und sie hat viel gefragt, wir konnten gut kommunizieren. Maho hat gut in unser Team gepasst.”
Maho brachte sich auch in der Sparte der Unikate ein. “Ihre Bären hatten einen eigenen japanischen Hauch. Das war toll und hat sich gut verkauft”, lobt Sina Martin ihre Auszubildende. Diese wird jetzt Sonneberg wieder verlassen, aber auch nicht gleich nach Japan zurückkehren. Ihre nächste Station wird Bad Kösen sein. “Dort”, sagt sie, “werden nicht nur Teddys hergestellt, sondern auch viele andere Plüschtiere.” Das möchte sie vor ihrer Heimkehr noch lernen und erleben.
Selbstgemachte Teddys hat sie selten verschenkt; wenn, dann an Menschen die ihr sehr nahe waren. Die beste Freundin in Japan hat ebenso einen bekommen, wie ihre Oma, von der sie das traditionelle japanische Kartenspiel lernte. Jetzt überlegt sie, wer ihr Prüfungsstück bekommt. “Vielleicht bringe ich es im Winter meinem Vater mit.” "
Quelle: Freies Wort vom 20.07.2017
insuedthueringen.de
Foto: camera900.de
Tolle wahre Geschichte!
Ich habe mit Begeisterung den Bericht gelesen und kann Maho verstehen. Toll, dass sie bei Martin Bären die Möglichkeit bekommen hat zu lernen. Wenn Träume wahr werden ...
Tedddybären und japan
Eine wunderschöne geschichte....immer seinem traum nachgehen das macht das leben lebenswert und den menschen glücklich
Habe die reportage über Martin's Bären im mittagsmagazin gesehen, eine wahre augenweide,